Ich frage mich, ob ich einfach zunehmend länger brauche, um den einen oder anderen Eintrag in meinem geistigen Wörterbuch zu finden, oder ob dieses nicht doch tatsächlich mit jeder neuen Auflage ein kleines bisschen schmaler ausfällt.
Meine künftige Standardantwort auf die Frage, warum ich dieses oder jenes nicht (rechtzeitig) erledigt habe: „Aus zweierlei Gründen: Ich bin nicht Cervantes, und ich bin sehr faul.“ (aus Ernesto Sabato, Der Tunnel)
„Wie geht es Ihnen denn heute, alles klar so weit? Etwas nervös wegen des Eingriffs, sagen Sie? Ja, das bin ich auch …“
– was man nicht unbedingt von seinem Arzt hören möchte, Teil 4
Was sich trotz des medizinischen und technischen Fortschritts im Laufe der Zeit wohl kaum geändert haben dürfte: das sich im Anschluss jeder langwierigeren Zahnbehandlung unweigerlich einstellende Gefühl, es wurde einem gerade Gewalt angetan.
Es gibt nichts Penetranteres als jene erbarmungslose Grabesstimme in meinem Kopf, die mir zwar meist nur wenige, dafür aber stets mit Bedacht gewählte Worte wie „Du Trottel“, „Vergiss es“oder „Sicher Krebs“ zu den unpassendsten Gelegenheiten zuflüstert.
Den Bahnhof heute gemeinsam mit einer Taube betreten, die neben mir durch die automatischen Türen spaziert ist. „Wohl nicht die Hellste“, kam mir unwillkürlich in den Sinn, bevor sie ihre Schwingen ausbreitete und elegant Richtung Bahnhofsbäckerei segelte, wo bereits ein Festmahl an Krumen auf sie wartete.
Eilmeldung: Die Auszeichnungen für beste Regie, bestes Drehbuch, bester Schnitt, beste Effekte und die beste Nebendarstellerin gingen allesamt an das erschütternde Epos „Alptraum Nr. 237“, das gestern erstmals in einer Nachtvorstellung gezeigt wurde und schon jetzt als Meilenstein des Genres gilt.
Als notorischer Hypochonder kann man sich über die eigene, sehr spezielle Form von Kreativität nur wundern – selbst wenn diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich Symptom eines äußerst seltenen, garantiert tödlichen neurologischen Defekts ist.
Got up, got dressed, got out, got lost, got tired, got lonely, got home.
Rätsel: Mein demenzkranker Großvater sitzt auf der Terrasse meines Elternhauses und blättert in meinem Beisein mehr als zwei Stunden lang wortlos durch ein italienisches und daher für ihn unverständliches Magazin – wo befindet er sich wirklich?
Im Traum fragte mich jemand (oder ich mich selbst): Willst du wirklich wissen, was danach kommt? Denk dran: Wenn du einmal eingeweiht bist, gibt es kein Zurück mehr. Du musst dann mit dieser Gewissheit leben, bis zum Ende deiner Tage, das dir nichts und niemand ersparen kann, das auch dich unweigerlich ereilen wird, von dem es kein Entrinnen gibt. Bist du tatsächlich dazu bereit? Doch bevor ich darauf antworten konnte, wurde ich wach, und das Fenster war schon wieder fest verschlossen.
Der Typ im Spiegel machte heute einen ziemlich erschöpften Eindruck auf mich. Was ihm wohl so zugesetzt haben mag, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Sobald ich wieder richtig fit bin, werde ich ihn danach fragen.
„Unbekannt verzogen.“
– mögliche Grabinschrift, Teil 6
Bisherige Bilanz des VI. Entomologischen Krieges: vier zerschlagene Bodenoffensiven durch draufgängerische Zecken, sechs abgewehrte nächtliche Luftangriffe durch eine Flotte tollkühner Schmeißfliegen, dauerhafte Belagerung durch eine Spezialeinheit an Ameisensoldaten und ein erst nach zähem Ringen ausgehandelter, auf zwei Tage befristeter Waffenstillstand mit dem mächtigen Spinnengeneral samt neuer Grenzziehung in meinem Zimmer.
Sobald ich die Wohnungstür hinter mir zugemacht, einmal tief durchgeatmet und die Augen geschlossen habe, kann mir nichts und niemand mehr etwas anhaben. Als hätte man die Zugbrücke einer uneinnehmbaren Festung hochgezogen, in die ohne Einverständnis des Burgherrn nie jemand auch nur einen Fuß setzen wird, ganz egal, welche Horden vor den Toren lauern und toben und ihm nach seinem Leben trachten mögen.
Ein Leben (Kurzversion): Erst gestern konnte ich noch mehr als 90 Minuten lang durchgehend laufen, ohne richtig müde zu werden. Heute kann ich gerade mal 90 Minuten lang sitzen, ohne auf Toilette zu müssen. Und schon morgen werde ich mich nicht mehr erinnern können, was ich 90 Minuten zuvor getan oder nicht getan habe.
Mit dem heutigen Tag verfüge ich, der ich über keinerlei Verfügungsgewalt verfüge, auf der Webseite jeder Klinik eine allgemein zugängliche Übersicht zum Status der aktuellen Operationen zu implementieren, ähnlich der großen, einstmals klappernden und nunmehr vorwiegend digitalen, Anzeigetafeln auf Bahnhöfen und Flughäfen: „A.L. | 59 | Saal 4 | Entfernung der Schilddrüse | keine Komplikationen | voraussichtliche Aufwachzeit: 11:47“
Tipp für zusätzliche Motivation beim abendlichen Lauftraining: einfach nach dem Aufwärmen einer Gruppe (idealerweise angetrunkener) Halbstarker knapp vor die Füße spucken, und schon sieht man, wozu man fähig ist.
Ganz egal, wie sehr wir uns auch verstellen und unsere tatsächlichen Gefühle verbergen, mit welcher Überzeugung wir unsere Rolle spielen und unsere jeweilige Maske tragen mögen, unsere Augen, gleichzeitig unbestechlich und verräterisch, können und lassen sich nicht täuschen, sie überführen uns und zeigen jedem, der es versteht, genau hinzusehen, wie es wirklich um uns bestellt ist.
Dass ich kein junger Mensch mehr bin, erkenne ich vor allem an dem Umstand, dass ich für gewisse, bisher kaum registrierte, geschweige denn geschätzte Dinge empfänglich(er) werde, etwa dieses bemerkenswerte Aufeinandertreffen von leuchtender Mondsichel, Schnee auf den in der Dämmerung blauen Bergen und sanft im Wind schaukelnden Baumwipfeln. Und am Kreuzweh, natürlich.
„Hast du abgenommen?“
„Was? Nein, kein bisschen.“
„Hm, dann vielleicht meine Sehkraft.“
– Bürogespräch
Märchen: Es beginnt als eine Art Scherz, aus Langeweile. Er gibt sich als stumm aus und verteilt auf der Straße wahllos Zettel an Passanten, auf denen kurze Nachrichten stehen, im Sinne von „Ich kann leider nicht sprechen, wollte Ihnen aber einen guten Tag wünschen“ oder „Ich bin stumm, wollte Ihnen aber dennoch sagen, dass Sie wunderschön sind“. Irgendwann, nach einiger Zeit, gibt er einen solchen Zettel gedankenlos einer Frau, und erst, nachdem sie jenen gelesen hat, sieht er sie richtig an und weiß plötzlich mit jeder einzelnen Faser seines Daseins, dass er ohne sie nicht mehr leben kann. Er möchte etwas sagen, doch egal, wie sehr er sich auch müht, er bekommt einfach keinen Ton heraus, ihm fehlen die Worte. Und so geht die Frau, nachdem sie sich mit einem sanften Lächeln bei ihm bedankt hat, ihrer Wege, und er sieht sie nie wieder.
- einen Roman schreiben
- den Keller entrümpeln
- mit dem Motorrad Südamerika bereisen
- ein Motorrad besorgen
- den Motorradführerschein machen
- meinen aufgeschwemmten Körper in Form bringen
- auf einem Schiff durch die Weltmeere segeln
- Bogenschießen lernen
- die Welt erobern
– Auszug aus: „Was ich alles hätte erreichen können, läge nicht regelmäßig eine Katze auf meinem Schoß“
Am Ende des Tages bleibt nichts mehr zu tun als die erlittenen Verluste abzuwägen, die verlorenen Stunden zu zählen und die verbliebenen Erinnerungen gegenzurechnen.
Fortgeschrittene Kriegsführung im Tierreich, Teil 273: wenn die Katze so lange maunzt, bis der Kater, nunmehr aufgewacht, sich von seinem angestammten Schlafplatz erhebt, um zu schauen, was los ist, und die Katze sich eine Minute später an ebenjenem Platz räkelt, den der Kater kurz zuvor wegen ihr verlassen hat.