Nothing to write home about


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Auch wenn es meinem Selbstbild noch so sehr widerspricht: Ich bin nicht frei von Vorurteilen. Dies wird mir stets bewusst, wenn jemand vor mir Geld am Automaten abhebt – und ich unwillkürlich davon ausgehe, nein, ganz sicher weiß, dass er dabei trödelt, eigentlich wesentlich schneller sein könnte, bestimmt nur deshalb so lange braucht, um mich zu ärgern, dieses &$%#@.

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Eine Zeitlang krank gewesen – und noch immer etwas Banane in der Birne.

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Was ich an meinem Neurologen neben seiner fachlichen Kompetenz wohl am meisten schätze und bewundere: wie elegant er mir darzulegen vermag, dass ich zu dick, zu faul und zu hysterisch bin, ohne dass ich mich im Mindesten davon beleidigt fühle.

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„Never too early to start dying.“

– John Banville, The Infinities

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„Gut, dann wollen wir mal. Was zum … [Name des Assistenten], komm mal her, das musst du dir anschauen. So etwas habe ich noch nie gesehen …“

– was man nicht unbedingt von seinem Arzt hören möchte, Teil 6

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Im kleinen Park am See spielen zwei ältere Herren eine Partie Schach und rücken, selbst völlig entrückt, die kindergroßen Figuren ihrer jeweiligen Plastikarmee Zug um Zug auf den Feldern hin und her, vor und zurück und sich gegenseitig zu Leibe – unter den Augen einiger interessierter Passanten, die dem Geschehen etwas abseits beiwohnen und ebenfalls beobachtet werden, von Menschen, die sich noch ein paar Meter weiter positioniert haben und ihrerseits von anderen gemustert werden, die noch weiter entfernt stehen etc., einmal um den ganzen See herum, bis wir wieder beim Spielfeld angelangt sind, das inzwischen völlig verwaist und verwüstet ist.

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Wie ein mutiger Seemann während eines Sturms in seinem Ausguck verharrt, so trotzt die kleine Spinne auf unserem Balkon in ihrem unsichtbaren Netz dem immer stärker werdenden Wind.

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Jede Expedition in unser bis oben hin mit Krempel vollgestopftes Kellerabteil ist wie ein kleines archäologisches Abenteuer. Man hat eine leise Vermutung, wo sich der gesuchte Gegenstand befinden könnte, muss jedoch erst sorgsam Schicht um Schicht an Vergangenheit abtragen, bevor man den ersehnten Schatz schließlich, vorsichtig, bergen kann. Die ganze Unternehmung benötigt Zeit, Beharrlichkeit, Geduld und etwas Glück, dafür stößt man im Zuge derartiger Ausgrabungen nicht selten auch unvermittelt auf die eine oder andere Kostbarkeit, mit der man nicht unbedingt gerechnet hätte.

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„Er lebte, so lange er konnte. Keine Sekunde mehr, keine weniger.“

– mögliche Grabinschrift, Teil 7

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Ergebnis der letzten halben Stunde (verbracht im Bett): 36 Lamellen und mindestens ebenso viele Versuche, sie zu zählen.

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„Das kann nur eine mechanische Ursache haben. Was immer Sie also in diesem Bereich zu tun pflegen – heutzutage gibt es ja eine Menge Spielzeug –, lassen Sie es.“

– was man nicht unbedingt von seinem Arzt hören möchte, Teil 5

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Als Nachtmensch schon frühmorgens sein Tagwerk verrichten zu müssen, wird trotz gelegentlicher nachmittäglicher Hochs bis zum Lebensabend wohl nicht einfacher werden.

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Eine der wenigen positiven Begleiterscheinungen eines schlechten Gedächtnisses: dass selbst mehrfach gelesene Bücher bei jeder neuen Lektüre überraschen können.

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Manchmal stelle ich mir vor, die kleine Spinne, die sich jeden Abend aus ihrem Versteck am Balkon in unser Blickfeld abseilt und etwa für eine halbe Stunde über unseren Köpfen hängt, als würde sie die Lage sondieren, bevor sie sich wieder zurückzieht, wachse immer weiter, unaufhörlich und unaufhaltsam, sodass sie sich, da sie schrittweise zu groß für ihren derzeitigen Unterschlupf, den Balkon, die Wohnung, das Gebäude würde, wie ein Einsiedlerkrebs stets aufs Neue eine passende Behausung suchen müsse.

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„Ruhe, ich will Ruhe, nichts als meine Ruhe. Und wenn ich dafür einen Preis in Form eines zurückgezogenen, faden Lebens ohne Abenteuer und Sensationen zahlen muss, dann zahle ich diesen Preis, und damit hat es sich.“

– Fernando Aramburu, Die Mauersegler

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Ich frage mich, ob ich einfach zunehmend länger brauche, um den einen oder anderen Eintrag in meinem geistigen Wörterbuch zu finden, oder ob dieses nicht doch tatsächlich mit jeder neuen Auflage ein kleines bisschen schmaler ausfällt.

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Meine künftige Standardantwort auf die Frage, warum ich dieses oder jenes nicht (rechtzeitig) erledigt habe: „Aus zweierlei Gründen: Ich bin nicht Cervantes, und ich bin sehr faul.“ (aus Ernesto Sabato, Der Tunnel)

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„Wie geht es Ihnen denn heute, alles klar so weit? Etwas nervös wegen des Eingriffs, sagen Sie? Ja, das bin ich auch …“

– was man nicht unbedingt von seinem Arzt hören möchte, Teil 4

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Was sich trotz des medizinischen und technischen Fortschritts im Laufe der Zeit wohl kaum geändert haben dürfte: das sich im Anschluss jeder langwierigeren Zahnbehandlung unweigerlich einstellende Gefühl, es wurde einem gerade Gewalt angetan.

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Es gibt nichts Penetranteres als jene erbarmungslose Grabesstimme in meinem Kopf, die mir zwar meist nur wenige, dafür aber stets mit Bedacht gewählte Worte wie „Du Trottel“, „Vergiss es“oder „Sicher Krebs“ zu den unpassendsten Gelegenheiten zuflüstert.

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Den Bahnhof heute gemeinsam mit einer Taube betreten, die neben mir durch die automatischen Türen spaziert ist. „Wohl nicht die Hellste“, kam mir unwillkürlich in den Sinn, bevor sie ihre Schwingen ausbreitete und elegant Richtung Bahnhofsbäckerei segelte, wo bereits ein Festmahl an Krumen auf sie wartete.

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Eilmeldung: Die Auszeichnungen für beste Regie, bestes Drehbuch, bester Schnitt, beste Effekte und die beste Nebendarstellerin gingen allesamt an das erschütternde Epos „Alptraum Nr. 237“, das gestern erstmals in einer Nachtvorstellung gezeigt wurde und schon jetzt als Meilenstein des Genres gilt.

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Als notorischer Hypochonder kann man sich über die eigene, sehr spezielle Form von Kreativität nur wundern – selbst wenn diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich Symptom eines äußerst seltenen, garantiert tödlichen neurologischen Defekts ist.

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Got up, got dressed, got out, got lost, got tired, got lonely, got home.

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Rätsel: Mein demenzkranker Großvater sitzt auf der Terrasse meines Elternhauses und blättert in meinem Beisein mehr als zwei Stunden lang wortlos durch ein italienisches und daher für ihn unverständliches Magazin – wo befindet er sich wirklich?