„Möge er zumindest den Dämonen seiner neuen Existenz gewachsen sein.“
– mögliche Grabinschrift, Teil 8
„Möge er zumindest den Dämonen seiner neuen Existenz gewachsen sein.“
– mögliche Grabinschrift, Teil 8
Wenn mir im hohen Alter nur ein Wunsch freistünde, würde ich mich wohl für folgenden entscheiden: dass mir in diesem umbarmherzigen Land des Vergessens zumindest der Aufbau einer kleinen Enklave der Erinnerung gestattet werde.
Ich wünschte, ich könnte meinen Katzen irgendwie begreiflich machen, dass ich sie nicht aus Überdruss fünfmal die Woche rund acht Stunden alleine lasse, sondern ausschließlich deshalb, um unseren Lebensstil finanzieren zu können.
Wieder mal sehr intensiv geträumt – bemerkenswert, mit welchen ausgefeilten Geschichten mich mein Unterbewusstsein stets aufs Neue überrascht.
Als Mittdreißiger muss man sich ja eigentlich noch nicht alt fühlen – es sei denn, man wird, passender- und ironischerweise auf dem Weg zum Arzt, von einer Gruppe zufällig in der Nähe befindlicher Jugendlicher hemmungslos ausgelacht, weil man bei dem Versuch, wie ein 17-Jähriger auf einem Skateboard durch die Stadt zu fahren, am Zebrastreifen ausrutscht, auf die Schnauze fällt und sich dabei sowohl Hand (leicht) als auch Ego (schwer) verletzt. Nicht, dass mir das vor etwa 37 Minuten passiert wäre oder so, ich sag nur.
Ich kann Unternehmen, die auf die ständige Präsenz ihrer Angestellten am Arbeitsplatz pochen, absolut verstehen – denn letztendlich gibt es nichts, das dem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Belegschaft förderlicher wäre, als gemeinsam zu husten, zu schniefen, zu niesen und schließlich zu fehlen.
Hatte heute ganz kurz Panik, mein Kopf sei über Nacht eingegangen, weil sich meine Mütze plötzlich zwei Nummern zu groß für diesen anfühlte. Der gestrige Friseurtermin war offenbar längst überfällig.
Sollte mein Vater noch am Leben sein, wenn ich schließlich dahinscheide, wäre ich um eines sehr dankbar: wenn man ihm nicht das Narrativ durchgehen lassen würde, der verdammte Veganismus sei schuld an meinem Tod.
Ich stelle mir vor: Vielleicht gibt es auf diesem Planeten nur eine bestimmte, wenngleich uns unerschöpflich scheinende Menge an Winden, die sich immer wieder neu verbinden und schließlich wieder trennen, mal langsamer, mal schneller, doch unablässig und unermüdlich diesen Globus umkreisen, ständig in Bewegung, in Schwärmen oder allein, seit Anbeginn der Zeit, bis zu unserem unvermeidlichen Untergang.
Untrügliches Anzeichen fürs Älter-Werden: nach untrüglichen Anzeichen fürs Älter-Werden zu suchen.
Neben in Bälde auslaufenden Abgabefristen und meiner ausgeprägten Hypochondrie sind Einladungen zu geplanten Zusammenkünften jedweder Art meiner Kreativität offenbar mittlerweile am zuträglichsten – ich bin jedes Mal selbst erstaunt, wie schnell mein Hirn mit einer Reihe an Ideen daherkommt, wie sich dieser oder jener Termin am besten vermeiden oder absagen lässt.
Wie stets an erster Stelle der Neujahrsvorsätze: das alte Jahr bei Datumsangaben nach Möglichkeit nicht mehr als zwei Monate ins neue mitschleppen.
Dass ich vermutlich nicht unbedingt zum großen Entdecker tauge, beweist – freilich neben Dutzenden anderen Tatsachen – insbesondere der Umstand, dass ich mich selbst in meinen Tagträumen in der Regel nicht allzu weit in entfernte, unbekannte Gefilde vorwage.
„Weiß man erst mal, dass man nutzlos ist, läuft alles besser.“
– Joann Sfar, Die Synagoge
Einige Leidenschaften, die meine Katzen und ich teilen: Liegen, Fläzen, Rumlümmeln, Kuscheln, Tagträumen, Schlafen und natürlich die Ornithologie.
Auch wenn es meinem Selbstbild noch so sehr widerspricht: Ich bin nicht frei von Vorurteilen. Dies wird mir stets bewusst, wenn jemand vor mir Geld am Automaten abhebt – und ich unwillkürlich davon ausgehe, nein, ganz sicher weiß, dass er dabei trödelt, eigentlich wesentlich schneller sein könnte, bestimmt nur deshalb so lange braucht, um mich zu ärgern, dieses &$%#@.
Eine Zeitlang krank gewesen – und noch immer etwas Banane in der Birne.
Was ich an meinem Neurologen neben seiner fachlichen Kompetenz wohl am meisten schätze und bewundere: wie elegant er mir darzulegen vermag, dass ich zu dick, zu faul und zu hysterisch bin, ohne dass ich mich im Mindesten davon beleidigt fühle.
„Never too early to start dying.“
– John Banville, The Infinities
„Gut, dann wollen wir mal. Was zum … [Name des Assistenten], komm mal her, das musst du dir anschauen. So etwas habe ich noch nie gesehen …“
– was man nicht unbedingt von seinem Arzt hören möchte, Teil 6
Im kleinen Park am See spielen zwei ältere Herren eine Partie Schach und rücken, selbst völlig entrückt, die kindergroßen Figuren ihrer jeweiligen Plastikarmee Zug um Zug auf den Feldern hin und her, vor und zurück und sich gegenseitig zu Leibe – unter den Augen einiger interessierter Passanten, die dem Geschehen etwas abseits beiwohnen und ebenfalls beobachtet werden, von Menschen, die sich noch ein paar Meter weiter positioniert haben und ihrerseits von anderen gemustert werden, die noch weiter entfernt stehen etc., einmal um den ganzen See herum, bis wir wieder beim Spielfeld angelangt sind, das inzwischen völlig verwaist und verwüstet ist.
Wie ein mutiger Seemann während eines Sturms in seinem Ausguck verharrt, so trotzt die kleine Spinne auf unserem Balkon in ihrem unsichtbaren Netz dem immer stärker werdenden Wind.
Jede Expedition in unser bis oben hin mit Krempel vollgestopftes Kellerabteil ist wie ein kleines archäologisches Abenteuer. Man hat eine leise Vermutung, wo sich der gesuchte Gegenstand befinden könnte, muss jedoch erst sorgsam Schicht um Schicht an Vergangenheit abtragen, bevor man den ersehnten Schatz schließlich, vorsichtig, bergen kann. Die ganze Unternehmung benötigt Zeit, Beharrlichkeit, Geduld und etwas Glück, dafür stößt man im Zuge derartiger Ausgrabungen nicht selten auch unvermittelt auf die eine oder andere Kostbarkeit, mit der man nicht unbedingt gerechnet hätte.
„Er lebte, so lange er konnte. Keine Sekunde mehr, keine weniger.“
– mögliche Grabinschrift, Teil 7
Ergebnis der letzten halben Stunde (verbracht im Bett): 36 Lamellen und mindestens ebenso viele Versuche, sie zu zählen.